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Hamburgische Bürgerschaft: Dafür stehen die neuen Abgeordneten

von Redaktion abgeordnetenwatch.de, 25.02.2015

Von Ivo Bantel

Am 15.02.2015 wurde die Hamburgische Bürgerschaft neu gewählt. Im Vorfeld der Wahlen hatten wir in einem Kandidaten-Check abgefragt, wie sich die Kandidatinnen und Kandidaten zu 22 von uns festgelegten Thesen positionieren. Die Abgeordneten konnten den Thesen zustimmen, diese ablehnen oder sich "neutral" positionieren. Nach der Wahl steht nun nicht nur fest, welche Kandidatinnen und Kandidaten in die Bürgerschaft eingezogen sind - sondern auch, welche Mehrheiten es in der neu gewählten Bürgerschaft geben müsste.

Von den 121 nun gewählten Abgeordneten haben 96 im Kandidaten-Check ihre Position angegeben. Die absolute Mehrheit in der Bürgerschaft liegt bei 61 Stimmen. Aus den Positionen der Abgeordneten, die am Kandidaten-Check teilgenommen haben, ergeben sich bei einigen Themen zum Teil deutliche Mehrheiten.

Die folgenden Grafiken geben einen Überblick über Themen, in denen in der neu gewählten Bürgerschaft eine absolute Mehrheit besteht sowie über weitere, auffallende Ergebnisse unter den gewählten Abgeordneten. Dabei bedeutet grün die Zustimmung zur These, rot steht für die Ablehnung und grau für eine neutrale Position. Da auch Antworten von Kandidatinnen und Kandidaten gewertet wurden, die nicht zu allen Thesen eine Position angaben kann die Gesamtzahl der Stimmen variieren.


 

In den abgefragten Themenfeldern ergibt sich im Bereich Bildung ein deutliches Votum: So spricht sich die Mehrheit der gewählten Abgeordneten dafür aus, in den nächsten Jahren keine grundlegenden Reformen der weiterführenden Schulen durchzuführen. Hauptsächlich Abgeordnete der Partei DIE LINKE waren dabei nicht grundsätzlich gegen grundlegende Reformen.

Die Abgeordneten positionieren sich in der deutlichen Mehrheit auch gegen eine Wiedereinführung von Studiengebühren. Diese findet dabei nur unter den Abgeordneten der CDU und der FDP zumindest teilweise Zustimmung.
Weiterhin bekennen sich die Abgeordneten mehrheitlich zu gebührenfreien Kitas, wobei hier die Anzahl der 'neutralen' Antworten deutlich höher liegt. Die Ablehnung dieser These findet sich bei einigen Abgeordneten der CDU und der FDP.

Auch im Bereich Stadtentwicklung finden sich Mehrheiten unter den Abgeordneten: ein Großteil der Mitglieder der künftigen Bürgerschaft spricht sich  gegen eine City-Maut und auch gegen mehr Parkplätze in der Innenstadt aus.
Für die Einführung einer City-Maut sind vor allem die Abgeordneten der GRÜNEN, mehr Parkplätze in der Innenstadt werden vor allem von Abgeordneten der FDP sowie der CDU befürwortet.
Außerdem befürwortet die Mehrheit der Abgeordneten einen stärkeren Eingriff in den Wohnungsmarkt, um damit die Sicherstellung preiswerten Wohnraumes zu gewährleisten. Abgelehnt wird diese These hauptsächlich von den Abgeordneten der FPD, sowie von einigen CDU-Abgeordneten.


Auch die Positionen der Abgeordneten zu weiteren Themen, die Hamburg bewegen, resultieren zum Teil in deutlichen Mehrheiten:

Beispielsweise gibt es ein sehr deutliches Votum für das Weiterbestehen von Hamburg als Einheitsgemeinde.

Die Abgeordneten bekennen sich außerdem deutlich zur Schuldenbremse, wobei sich hier nur alle 11 Abgeordneten der Partei DIE LINKE gegen die Schuldenbremse aussprechen.

Bei dem Thema öffentliche Sicherheit und Videoüberwachung spricht sich die deutliche Mehrheit (im Kandidaten-Check) bzw. beinahe die absolute Mehrheit der Bürgerschaft gegen eine Ausweitung der Videoüberwachung aus. Dabei kommt Unterstützung für einen Ausbau der Videoüberwachung vor allem von einigen CDU-Abgeordneten.

Auch die Ausrichtung der Olympischen Spiele in Hamburg wird von den Abgeordneten mehrheitlich unterstützt. Hier sind hauptsächlich die Abgeordneten der Partei DIE LINKE gegen die Ausrichtung der Olympischen Spiele.

Die Einstellung der Abgeordneten gegenüber einer Ausrichtung von Olympia deckt sich zumindest teilweise mit einer im Januar 2015 von infratest dimap durchgeführten Umfrage unter den Wahlberechtigten in Hamburg. Diese kommt zu dem Ergebnis, dass unter den Anhängern der Partei DIE LINKE eine deutliche Mehrheit gegen eine Ausrichtung von Olympia in Hamburg ist. Auch wenn sich die Anhänger anderer Parteien eher mehrheitlich dafür aussprechen, gibt es auch unter diesen z.T. bemerkbare Ablehnung (SPD: 23% bis hin zu GRÜNE: 41%) gegenüber eine Olympia-Ausrichtung in Hamburg.

Außerdem fällt das Ergebnis unter den gewählten Kandidatinnen und Kandidaten zu der These "Hamburg sollte viel mehr Flüchtlinge aufnehmen als bisher" auf: unter allen 22 Thesen ist bei dieser der höchste Anteil der "neutralen" Antworten zu beobachten (60 von 95 abgegebenen Stimmen). Zu diesem medial sehr präsenten Thema gibt die deutliche Mehrheit der teilnehmenden Abgeordneten der Bürgerschaft an, der These "neutral" gegenüberzustehen. Nur ein geringer Teil der Abgeordneten lehnt diese Aussage ab (v.a. CDU-Abgeordnete) bzw. stimmt ihr zu (v.a. Abgeordnete von DIE LINKE und den GRÜNEN, z.T. auch von FDP und SPD). Zu diesem Thema wurde im Dezember 2014 von infratest dimap eine Umfrage unter den Wahlberechtigten in Hamburg durchgeführt, die zu dem Ergebnis kommt, dass die relative Mehrheit der Befragten findet, der Senat kümmere sich nicht ausreichend um die "Probleme, die durch die Hohe Zahl an Flüchtlingen entstehen". Die Umfrage und das Votum der Abgeordneten haben zwar unterschiedliche Fragestellungen ("werden bestehende Probleme ausreichend behandelt?" bzw. "sollten mehr Flüchtlinge aufgenommen werden?"), allerdings ist zu beobachten, dass knapp zwei Drittel der befragten Abgeordneten sich nicht festlegen wollten, ob mehr Flüchtlinge aufgenommen werden sollen oder nicht. Dies ist vor dem Hintergrund der Umfrage von infratest dimap bemerkenswert und lässt die Frage aufkommen, ob die Abgeordneten dem Thema ausreichend Beachtung schenken.

Interessant wird die Betrachtung der sich ergebenden Mehrheiten auch vor dem Hintergrund der möglichen Koalition aus SPD und GRÜNEN: zwischen den Abgeordneten beider Fraktionen herrscht bezüglich unserer Thesen weitgehende Einigkeit bei den meisten Themen (z.B. keine Reformen von weiterführenden Schulen, keine Wiedereinführung von Studiengebühren, nicht mehr Innenstadtparkplätze). Jedoch gibt es bei der Zustimmung zu der These der Kita-Gebührenfreiheit deutliche Unterschiede: ein Großteil der Abgeordneten der GRÜNEN hatte sich "Neutral" positioniert, während die SPD-Abgeordneten fast ausschließlich zustimmten. Noch deutlichere Diskrepanzen ergeben sich bei der Betrachtung der These einer City-Maut: diese wird von fast allen SPD-Abgeordneten im Kandidaten-Check abgelehnt, während die GRÜNEN-Abgeordneten diese fast ausschließlich befürworten.

Abschließend lässt sich die Beteiligung am Kandidaten-Check nach Parteien analysieren. Dabei ergeben sich deutliche Unterschiede, was die Antwortquoten betrifft: während über 90% derjenigen Abgeordneten, die für die GRÜNEN oder DIE LINKE in die Bürgerschaft einzogen und knapp 90% der FDP-Abgeordneten, sich zu allen Fragen des Kandidaten-Checks positionierten, gilt dies nur für ein Viertel der Abgeordneten der AfD. Die Antwortquote der SPD liegt bei etwa 80%, während nur 65% der CDU-Abgeordneten den ihre Positionen im Kandidaten-Check öffentlich machten. Besonders der "Ausreißer" nach unten, die AfD, zeigt damit noch eine sehr große Notwendigkeit zur Steigerung der Transparenz; auch die Rückmeldungen der SPD und noch etwas stärker der CDU, sind steigerungsbedürftig, wenn sich die genannten Parteien als transparente, bürgernahe Organisationen präsentieren wollen.

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